Ich nickte und beschloss darauf nicht zu antworten. Dieser Dave war vermutlich einer von denen, die am liebsten den ganzen Tag in der Uni verbracht und gelernt hatten. Ich war einfach nur froh, die Sache hinter mich gebracht zu haben.

"Ich trinke den Lebkuchen Latte, den trinke ich immer in den Wintermonaten. Schade eigentlich, dass es den nicht auch im Sommer gibt, aber Lebkuchen ist auch nicht wirklich ein Sommerding. Er erinnert mich immer an meine Heimatstadt, dort schneit es im Winter nämlich. Und das ist nur eines der Dinge, die mir hier fehlen...", erzählte ich wehmütig. Ich bemerkte, dass ich viel zu viel redete, also lächelte ich Dave erneut an und fragte ihn: "Und welchen Kaffe trinkst du?"

Kate wirkte irgendwie... wehmütig. Diese Seite kannte ich gar nicht, sie war sonst immer so oberflächlich-fröhlich. Für einen Moment vergaß ich meine Schüchternheit und sah ihr mitfühlend in die Augen: "Deine Heimatstadt fehlt dir? Und Schnee auch? Wo kommst du denn her?" Dann beantwortete ich noch etwas einsilbig ihre Frage: "Frappuccino."

"Ich komme aus New York! Dort bin ich geboren und aufgewachsen, doch ein Jahr vor meinem Highschool Abschluss hat mein Vater ein Job in Kalifornien angenommen und wir mussten mitziehen. Ein halbes Jahr später haben meine Eltern sich scheiden lassen und meine Mutter ist zurück nach New York gezogen, aber ich wollte meinen Abschluss noch fertigmachen und bin dann einfach hier geblieben. Und hier bin ich!" Ich wusste selbst nicht genau, warum ich Dave all das erzählte, schließlich kannten wir uns kaum. Doch es fühlte sich richtig an und irgendwie befreiend, denn bisher hatte ich nicht viel Gelegenheit gehabt, darüber zu reden.

"Oh ja, Schnee gibt's dort jede Menge!", bestätigte ich, und fügte ungewohnt offen hinzu: "Eine Freundin von mir wohnt in Connecticut. Die haben da im Winter immer sehr zuverlässig Schnee!"

"Deine Eltern sind geschieden? Das ist ja blöd.", fügte ich mitfühlend hinzu. "Ich wohne noch bei meinen Eltern, woran du siehst, dass sie noch zusammen wohnen!" Im gleichen Moment hätte ich mir am liebsten auf die Zunge gebissen, weil ich das erzählt hatte. Hoffentlich hatte es Kate überhört!

"Du kennst jemanden aus Connecticut?", erkundigte ich mich neugierig. "Woher kennst du sie denn? Ist sie dorthin gezogen?" Ich zuckte bloß mit den Schultern, denn Daves Mitgefühl war das Letzte, was ich jetzt gebrauchen konnte. "Ich würde auch gerne mit meinen Eltern zusammen leben.", gab ich von mir. "Meine Mutter besucht mich nur zwei Mal im Jahr, wenn überhaupt. Und mein Vater hat nichts als seine Arbeit im Kopf. Und natürlich seine Verlobte, ein weiterer Grund, dass ich so schnell wir möglich bei ihm ausziehen wollte." Ich schüttelte den Kopf und strich eine Strähne, die sich gelöst hatte, hinters Ohr. "Genug jetzt von mir. Lass uns über dich reden!"

Kate wollte über mich reden. Das war ein Problem, das war ich nicht gewohnt. Gleichzeitig freute ich mich darüber. Das Herz klopfte mir bis zum Hals. "Ach, das ist nur eine Bekannte, eine Musikerin. Sie ist in der Nähe von Hartford aufgewachsen. Ich habe sie auf einer kleinen Konzertreise kennen gelernt."

Offenbar störte sich Kate nicht daran, dass ich noch bei meinen Eltern wohnte. Wenn sie wüsste, wie sehr ich mich daran störte! "Och, bei mir gibt es nicht viel zu erzählen. Bei mir ist nicht so viel los!" Ich sah Kate bewundernd an. "Besuchst du deinen Vater denn oft?"

"Eine Musikerin, also. Ist sie berühmt? Jemand den ich kenne?", frage ich aufgeregt. "Du hast eine Konzertreise gemacht? Heißt das etwa, dass du auch Musik machst?", erkundigte ich mich und betrachtete Dave auf einmal in einem ganz anderen Licht. "Komm schon, das glaube ich dir nicht!", lachte ich und schaute ihn erwartungsvoll an. Seine Frage ignorierte ich einfach, da ich überhaupt keine Lust hatte, über meinen Vater zu sprechen. Schon gar nicht mit einem fremden Mann, dessen Namen ich erst seit einigen Minuten kannte.

Ich war irritiert. Glaubte Kate wirklich, dass ich eine Konzertreise gemacht hatte und nicht meine Bekannte?

Ich war noch nie aus Kalifornien herausgekommen, selbst die Stadt in Connecticut kannte ich nur von Winterfotos, die mir meine Bekannte geschickt hatte. Offenbar war Kate aber begeistert! Und sie wirkte beeindruckt! Ich hatte einen ganz trockenen Mund, griff langsam zum Becher und führte ihn langsam zum Mund, wärend meine Gedanken rotierten.

"Nein, nein, sie ist nicht berühmt. Nur in ihrer Heimatstadt kennt sie jeder", wehrte ich ab, um Zeit zu schinden. Und dann log ich: "Ich spiele Keyboard und war damit auf Tour." Kaum waren die Worte gesprochen, verfluchte ich mich dafür. Mein Blick war nicht auf die schöne Kate, sondern wieder einmal auf meinen Becher gerichtet, als ich relativierte: "Aber es war nur eine kleine Tour."

"Schade!", sagte ich ein wenig enttäuscht, doch ich setzte sofort wieder ein Lächeln auf. "Wow, du warst auf Tour... mit deiner Band?", fragte ich nach. Ich flirtete ein wenig mit Dave, denn wie sich herausstellte, war er gar nicht so langweilig, wie ich gedacht hatte. "Vielleicht möchtest du mir ja mal etwas vorspielen?" Außerdem hatte ich schon immer eine Schwäche für Musiker.

Ich versuchte, zurückzurudern: "Es ist nicht 'meine' Band, ich bin nur der Keyboarder. Ja, wir waren auf Tour… aber das ist Vergangenheit, daran möchte ich gar nicht mehr denken. Bald geht es nach Connecticut, ich denke lieber an die Zukunft!"

Ich war glücklich, weil mich Kate ansah - und wie sie mich ansah! -, aber ich hatte ein Problem.

"Und du, was machst du so? Hast du noch Kontakt zu Leuten vom College?", fragte ich schnell.